Predigt: Hebräer 13,12-14: Coronazeit – Sonntag Judika – 29. März 2020

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde!
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist heute der dritte Sonntag der Corona-Krise. Der dritte Sonntag, an dem kein normaler, öffentlicher Gottesdienst gefeiert werden kann. Ich möchte aber diesen Sonntag nicht ohne Predigt vergehen lassen. Deshalb schreibe ich hier einige Gedanken zu dem vorgeschlagenen Predigttext aus dem Brief an die Hebräer 13, 12-14.
Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.
So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen.
Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Diese Verse lassen sich in der heutigen Quarantäne-Situation ganz anders hören. Vor allem die Einladung, nach draußen zu gehen, „aus dem Lager“, d.h. aus dem geschützten Raum. Und das, weil Christus draußen, vor aller Augen gelitten hat.
Das ist ein starkes Symbolbild. Keine Aufforderung, das Kontaktverbot zu brechen, rauszugehen, um in öffentlicher Versammlung Kreuzprozessionen abzuhalten. Nein. Es geht vor allem darum, vor Gott offen zu stehen.
Ja, jeder von uns baut einen geschützten Raum um sich selbst. Nicht nur aus Stein und Holz, sondern auch als einen mentalen Schutzraum, man nennt das „Image“, ein Bild von sich selbst, wie man von anderen wahrgenommen werden möchte. Wenn es einem gelingt, ein gutes Image aufzubauen, dann ist das wie eine Festung mit unsichtbaren, aber sehr festen Mauern.
Diese zu verlassen, sich vor Gott (aber auch vor sich selbst) so zu stellen, wie man halt wirklich ist, mit seinen Fragen, Ängsten und Zweifel – das ist ein wichtiger Schritt im Glauben.
Christus hat es vorgelebt. Für die Menschen hat er sich bloß gestellt und sich quälen und töten lassen. Das war kein Image, das war ER selbst, so wie er war.
Ihm in dieser Lage nahe zu sein, „seine Schmach“ mit ihm zu tragen, ist der stärkste Ausdruck des christlichen Glaubens.

Dieser Glaube legt ein festes Fundament nicht nur für das jetzige Leben des glaubenden Menschen, sondern auch über seine Lebenszeit hinaus.
Deswegen heißt es weiter: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“.
Ja, gerade jetzt, in dieser für uns völlig neuen Situation merken wir deutlich, dass viele Dinge, die für uns fest und unerschütterlich waren, sich auf einmal als sehr fragil erweisen: Das kleine Corona-Virus bringt die Versorgung und die Medizin der ganzen Länder an ihre Grenzen. Wirklich sicher fühlt man sich nur in seinen eigenen vier Wänden. Man gibt sich nicht mehr die Hand, weil es gefährlich ist. Nicht mal ein Gottesdienstbesuch ist jetzt möglich.
Es gibt viele Dinge, die nicht so bleiben werden, wie sie bisher waren. Wir hören täglich von immer mehr Menschen, die durch diese Krankheit ihr Leben verloren haben. Ihre Angehörigen spüren das ganz schmerzlich, dass nichts so bleibt, wie es war.
Wir haben hier keine bleibende Stadt – eine Erkenntnis, eine Weisheit, eine Lektion, die uns auf diese ungewöhnliche und beängstigende Art und Weise gerade erteilt wird. Und vielleicht fragen viele von uns jetzt: Was bleibt? Gibt es Dinge, die fest bleiben, auf die man sich gerade jetzt verlassen kann?
Mir kommt sofort der Vers aus dem 1. Korintherbrief des Paulus in den Sinn. Da, im 13. Kapitel finden wir seine bekannten Worte: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter ihnen“. Ja, das sind die Dinge, die bleiben: Glaube, Hoffnung, also die Gewissheit, dass wir auch diese schwere Zeit durchstehen und es wieder Normaltät geben wird. Vor allem aber die Liebe wird bleiben, die Liebe, die sich aus Hingabe und Geduld, aus Selbstlosigkeit und Aufmerksamkeit, aus Verständnis und Vergebung zusammensetzt – sie, diese Liebe, wird bleiben, und sie ist auch die Grundlage, auf der wir nicht nur auch die schwerste Zeit hier überstehen, sondern auch diese „zukünftige Stadt“ bewohnen werden: Die Liebe Christi, die wir empfangen und miteinander teilen.
Ich wünsche uns allen, dass wir in dieser schwierigen Zeit in Glaube, Hoffnung und Liebe wachsen. So kann auch diese Zeit für uns ein Segen sein. Gott möge dem die nötige Schubkraft geben!
Und sein Friede, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Dimitri Schweitz, Pastor

 

Gebet:
Großer Gott, seit Tagen leben wir in einer Situation, die für uns völlig neu ist und wir an vielen Punkten feststellen, dass wir überfordert sind und nicht wissen, wie wir richtig handeln sollen. Die täglichen Nachrichten mit den rasant steigenden Zahlen der Infizierten und der Toten erschrecken uns. Diese Verunsicherung und diese Zweifel bringen wir vor dich und bitten: Gib uns die Weisheit, die Entscheidungen so zu treffen, dass unser Tun und Lassen in deinem Sinne geschieht. Gib und die nötige Kraft, Dinge auszuhalten, die wir nicht verändern können. Schenke uns die Fantasie, unseren Alltag so zu gestalten, dass wir trotz der drastischen Einschränkungen und Kontaktverbote ein Miteinander leben.
Deiner Fürsorge befehlen wir besonders die an, die von der Pandemie direkt betroffen sind: Die Erkrankten, die Sterbenden und deren Angehörigen. Segne und Stärke alle, die sich um die Betroffenen kümmern und in dieser schweren Zeit im Einsatz sind. Gott, führe du uns durch diese Zeit! Amen.

Predigt Hebr 13, 12-14 Judika-2020-Corona